NSU Prozess: Medien haben nichts gelernt

Stephan Frey
Stephan Frey
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Man mag zu Beate Zschäpe stehen wie man möchte, durch die Aussage vor Gericht (wenn auch in schriftlicher Form) hat sich die Hauptangeklagte im NSU- Prozess erstmals zu den Anschuldigungen geäußert.

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In den Medien wurden ihre lediglich schriftlich dargelegten Äußerungen als unglaubwürdig bezeichnet.

Beate Zschäpe räumt moralische Mitverantwortung ein

Beate Zschäpe hat sich indes auch bei den Opfern für die Taten des NSU entschuldigt. Die alleinige Schuld lag nach Angaben der Hauptangeklagten bei den zwischenzeitlich durch gemeinschaftlichen Suizid verstorbenen ehemaligen Weggefährten und Beziehungspartnern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.

Nach Angaben von Zschäpe sei sie nicht in die Morde einbezogen worden und auch nicht in die diesbezüglichen Pläne. Sie fühle sich aber moralisch schuldig, dass sie die insgesamt zehn begangenen Morde und zwei Bombenanschläge nicht verhindern konnte.

Die Angst zur Polizei zu gehen begründete die Hauptangeklagte damit, dass sie die Befürchtung hatte, dass Mundlos und Böhnhardt eben jenen gemeinschaftlichen Suizid begehen könnten, der dann letztlich auch so geschehen ist.

Presse hat aus Kachelmann-Prozess offenbar nichts gelernt

Ob jeder ihrer Aussagen tatsächlich der Wahrheit entsprechen oder lediglich einem prozesstaktischen Verhalten entspringen, kann das Gericht beurteilen, in keinem Fall jedoch die Medien. Dies geschieht jedoch allenthalben. Zahlreiche renommierte (und weniger renommierte) Print-Publikationen und Online-Publikationen der großen Tageszeitungen verurteilen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe bereits im Vorwege.

Dabei gilt auch bei rechtsradikal gesinnten Personen die im Grundgesetz verankerte Unschuldsvermutung. Insbesondere die Tatsache, dass Beate Zschäpe offenbar seit Beginn des Prozesses habe aussagen wollen und lediglich ihre bisherigen Verteidiger dies verhinderten, offenbart, dass Zschäpe seit Anbeginn des Prozesses offenbar umfassend aussagen wollte.

Weil die bisher bestellten Pflichtverteidiger in der Vergangenheit eine Aussage der Hauptangeklagten mit allen Mitteln verhindern wollten und stattdessen den Prozess für das eigene Renommee nutzten, hatte die Hauptangeklagte das Vertrauen zu ihnen verloren und sich einen neuen Pflichtverteidiger gesucht.

Zu diesem hat Zschäpe offenbar das notwendige Vertrauen und hat ihm nun die Aussage diktiert. Dass diese Aussagen natürlich im Zuge der Verteidigungsstrategie “geglättet“ sind, mag der Tatsache entsprechen, auch bleibt fraglich, ob Beate Zschäpe tatsächlich die Unschuld vom NSU war oder ob sie nicht tatsächlich eine wichtige Person des NSU darstellte und lediglich die Verantwortung nun auf zwei Personen abschieben will, die sich nicht mehr äußern können.

All dies sind jedoch nicht bewiesen Mutmaßungen und ebenso kann es zutreffen, dass die Aussagen der Hauptangeklagten zutreffen. Die Glaubwürdigkeit hat das Gericht zu beurteilen und kein Pressevertreter.

In zahlreichen Artikeln der Presse ist jedoch eindeutig ein Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Unschuldsvermutung zu ersehen. Auch wenn es sich bei dem NSU-Prozess um einen Prozess handelt, der zehn unschuldigen Menschen das Leben kostete und deren Familie in viel Leid und Schmerz tauchte, ist jedoch angesichts der zahlreichen in das Verfahren involvierten V-Leute auch das Verhalten des Staates an sich als Teil einer möglichen Mitschuld an den Verbrechen zu erfragen.

Gleichzeitig begehen zahlreiche Medien denselben Fehler wie bei Kachelmann und ähnlichen Prozessen. Es findet eine mediale Vorverurteilung statt, die jeglichen Prinzipien einer neutralen Berichterstattung widersprechen.

Unschuldsvermutung als Stärke eines demokratischen Rechtsstaates

Auch wenn das persönliche Schicksal all jener Mordopfer im Fokus stehen sollte und weniger die Show von aufstrebenden Rechtsanwälten oder die zuweilen skurril anmutende Verhaltensweise von Beate Zschäpe, hat das Prinzip der Unschuldsvermutung zu gelten. Bis Beate Zschäpes Mitverantwortung an den Morden nicht juristisch geklärt ist, sollte sich die Presse mit einer Vorverurteilung deshalb deutlich zurückhalten.

Der Autor des Artikels distanziert sich persönlich ausdrücklich von jeglichem rechtsradikalen Gedankengut und betont ausdrücklich, dass dieser politisch links zu verorten ist und insofern keinerlei Sympathien für die Gedanken einer menschenverachtenden Handlungsweise hegt.

Hier ist jedoch nicht die politische Sichtweise der Hauptangeklagten zu betrachten, sondern die rein juristische Verantwortung von Beate Zschäpe. Solange diese nicht zweifelsfrei geklärt ist, hat nun einmal der Grundsatz der “Unschuldsvermutung“ zu gelten, so schwer das auch angesichts der menschenverachtenden Morde sein mag.

Genau dieser Grundsatz unterscheidet aber eine Diktatur von einem demokratischen Rechtsstaat. Die moralische Mitverantwortung hat die Hauptangeklagte zudem eingeräumt, so dass sie die Taten in jedem Fall ihr Leben nicht mehr loslassen werden. Für die juristische Beurteilung ist jedoch das Oberlandesgericht München zuständig und nicht die Presse.

Weitere News: NSU Prozess-Beginn: Das OLG München und die Sensibilität!


Bsp. Grafik zum Artikel: NSU-Prozess / Gericht (c) cc/ohtimewilltell

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